Der Wald leidet unter der Klimakrise: vier von fünf Bäumen sind geschädigt, mehr als 600.000 Hektar Schadfläche und über 250 Mio. Kubikmeter Schadholz sind die Folge von Stürmen, Dürre, Borkenkäfer und Waldbränden. Der Umbau hin zu klimastabilen Wäldern ist eine enorme Herausforderung für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer, die nur in einem gemeinsamen gesellschaftlichen Kraftakt gelingen kann. Wie kann sich die Forstwirtschaft in der Klimakrise zukunftsfähig aufstellen? Wie können in der Transformation Wald und Ökosystemleistungen gesichert werden? Welche Unterstützung müssen Politik und Gesellschaft leisten?
Diese Fragen und mögliche Antworten haben wir auf unserem diesjährigen AGDW-Waldsymposium mit rund 150 Vertreterinnen und Vertretern aus Forstpraxis, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien diskutiert.
Im ersten Vortrag des Tages erörterte Prof. Dr. Rupert Seidl, Technische Universität München: Wie resilient sind Europas Wälder und was kann der Waldbau tun? (Präsentation) Er zeigte auf, wie die Dürre-Jahre 2018-2020 und andere klimatische Veränderungen innerhalb einer Baumgeneration die Kohlenstoff-Speicherung der Wälder beeinflussen und wie dadurch Schutzfunktionen reduziert werden. Es gebe jedoch kein Patentrezept für den Waldbau. Grundsätzlich: Vielfalt und Struktur im Wald zahlen sich aus!
Im zweiten Vortrag beschrieb Dr. Ralf Petercord, Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, das Ausmaß der Klimakrise mit besonderem Blick auf den Waldschutz (Präsentation) Er brachte auf den Punkt, dass extreme Witterungsereignisse häufiger auftreten und damit auch extreme Störungsereignisse. Gerade Schadorganismen reagieren auf kurzfristige Wetterbedingungen am schnellsten. Seine Forderung: Keine Stilllegung von Waldbeständen oder Nutzungsverzichte und Vorratsaufbau, sondern konsequente Nutzung und Förderung des Verjüngungspotentials.
Nach der Kaffeepause wurde mit viel Applaus Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor Emeritus Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Initiator, Gründer und Co-Geschäftsführer Bauhaus Erde auf der Bühne begrüßt. In seinem Vortrag Die Ko-Transformation von Landnutzung und Bauwende (Präsentation) führte er eindrücklich aus, wie dramatisch die Klimaveränderungen schon jetzt sind. Das Jahr 2023 werde in der globalen Mitteltemperatur das wärmste jemals gemessene, noch nie war im Mittel der Oktober wärmer als der März. Es müsse mehr in negative Emissionen investiert werden. Waldbau, Waldumbau und vor allem die Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz seien ein Teil der Lösung. Das globale Bauen mit Holz könne viele Probleme gleichzeitig lösen, wenn damit die Demineralisierung des Bausektors gelänge.
Als nächstes zeigte Dr. Norbert Putzgruber, Österreichische Bundesforste, in seinem Vortrag Gewinnorientierte Waldwirtschaft in Zeiten des Klimawandels (Präsentation) auf, das Ökologie und Ökonomie keine Widersprüche sein müssen. „Nachhaltige Forstwirtschaft ist die Balance zwischen so vielen ökonomischen Baumarten wie möglich und so vielen ökologisch wichtigen wie erforderlich.“
Nach der Mittagspause wurde mit Spannung die Rede von Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft erwartet. Wie Professor Andreas W. Bitter, Präsident AGDW – Die Waldeigentümer in seinem Eröffnungsstatement berichtete, sei auch die Bundesregierung auf der Suche nach Lösungen und erarbeite gerade nicht nur ein neues Bundeswaldgesetz, sondern auch die Waldstrategie 2050. Özdemir betonte, dass der Erhalt der Wälder sein Ziel sei. Dabei müssten auch die Waldeigentümer die notwendige Unterstützung erhalten. Der Wald müsse klimaangepasst umgebaut werden, wobei die Holznutzung einen sehr wichtigen Beitrag zur Holzbauinitiative leisten muss! Eine Gängelung der Waldbesitzenden mit weitgehenden Bewirtschaftungsvorgaben werde es mit ihm nicht geben. Ebenso keine „Quasi-Enteignung“ durch Stilllegung und Einschlagsbeschränkungen. (Video BMEL: Grundsatzrede von Bundesminister Özdemir beim Berliner Waldsymposium der deutschen Waldeigentümer)
Live aus Tokio berichtete im Anschluss Prof. Dr. Peer Haller, Technische Universität Dresden über Innovative Holzverwendung unter besonderer Berücksichtigung von Laubholz (Präsentation) Nicht jede Holzart könne für jeden Zweck verwendet werden, aber jede Holzart kann in ihrer speziellen Beschaffenheit genutzt werden. Mit Hilfe von schon gut ausgereiften Technologien lässt sich jedes heimische Laub- und Nadelholz zur Platte verarbeiten und diese zu einem Profil umformen. Die Substitution energieintensiver Baustoffe wie Stahl und Beton, Aluminium und Kunststoffe kann gelingen, wenn Holz in Hochtechnologien mit hohen Tragfähigkeiten und konkurrenzfähigen Preisen eingesetzt wird. Im Vergleich hat Formholz einen über 90 % geringeren ökologischen Fußabdruck als ein Stahlprofil, das Global Warming Potential (GWP) ist das 80-fache!
In der Überleitung zur aktuellen Bundespolitik zeigte Dr. Max Krott, Georg-August-Universität Göttingen den Einfluss von Politik und Gesellschaft auf die Waldtransformation (Präsentation) auf. Das Regierungshandeln aus 62 deutschen Landeskabinetten wurden analysiert und deren Entscheidungen mit Blick auf Forst und Naturschutz bewertet. Auch die unterschiedlichen Einflussprofile der Fachministerien wurden vorgestellt.
Bernt Farcke, Abteilungsleiter Wald, Nachhaltigkeit, Nachwachsende Rohstoffe im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nutzte die Gelegenheit, die Waldbesitzenden zu den aktuellen Förderprogrammen und über den Stand des Novellierungsverfahrens des Bundeswaldgesetzes zu informieren. Dabei betonte Farcke, dass dabei nicht auf das Ordnungsrecht, sondern auf ein System von Anreizen für die Waldbesitzenden gesetzt würde. Allerdings sei damit die Erbringung zusätzlicher über den neuen Standard bei Klimaresilienz, Biodiversität und CO2-Speicherung hinausgehender Leistungen verbunden. Dabei sei dem BMEL in engem Schulterschluss mit dem BMUV daran gelegen, die neuen Honorierungsmöglichkeiten für die Waldbesitzenden so bürokratiearm wie möglich zu gestalten.
In der abschließenden forstpolitischen Diskussionsrunde wurde natürlich das geplante neue Bundeswaldgesetz thematisiert, aber auch die vorangegangenen wissenschaftlichen Beiträge parteipolitisch eingeordnet. Isabel Mackensen-Geis, forstpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, betonte die Wichtigkeit der Novellierung des BWaldG, was nicht hieße, dass es komplett neu geschrieben werden solle. Die deutlich geänderten Rahmenbedingungen in Zeiten des Klimawandels erforderten allerdings auch deutliche Anpassungen. Auch Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Verbraucherschutz, bestärkte das Vorhaben. Holz sei selbstverständlich ein nachwachsender Rohstoff, der aber besser baulich als energetisch verarbeitet werden solle. Gerade im ländlichen Raum müsse vor allem aber die Möglichkeit von Holzheizungen erhalten bleiben. Karlheinz Busen, forstpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, forderte jedoch, dass es eines hohen Maßes an Freiheit für die Waldeigentümer bei der Bewirtschaftung ihrer Wälder bedürfe, und dass sich die Vielfalt der Regionen in Deutschland in unterschiedlichsten Waldstrukturen auf Basis standortangepasster Maßnahmen widerspiegeln müsste. Hermann Färber, forstpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und Vorsitzender des Agrarausschusses im Deutschen Bundestag, machte deutlich, dass der erste Entwurf eines neuen BWaldG und der aktuelle Vorschlag der Naturschutzverbände den Eindruck vermittelten, den Waldbesitzenden und den Experten auf der Fläche nicht vertrauen zu können, wenn es um die Neuausrichtung der Waldbewirtschaftung ginge. Eine zwingende Notwendigkeit zu einer grundlegenden Änderung des BWaldG sah Färber nicht.
Im finalen Abschlussstatement bedankte sich Prof. Dr. Andreas W. Bitter, Präsident AGDW – Die Waldeigentümer, bei der Bundespolitik, den Parteien und den Ministerien, für die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen.
Außerdem dankte er Dr. Max Krott für die langjährige Zusammenarbeit und Entwicklung des Veranstaltungsformats für das Berliner Waldsymposium. Max Krott hat gemeinsam mit der AGDW diesen Treffpunkt für Wissenschaft, Politik und Forstpraxis geschaffen und sich immer für einen hochkarätigen Austausch engagiert.
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