Hoffnung von oben: Die Hilfe für den Familienwald kommt aus dem All

Eigentlich sieht es doch genauso aus, wie es sein soll – hier in einem steilen Allgäuer Waldstück oberhalb von Immenstadt. Grün, schattig, lebhaft, trotz der hochsommerlichen 30° Außentemperatur. Unter den schon 80 Jahre alten Fichten wächst bunt gemischt die nächste Waldgeneration heran: Viele verschiedene Baumarten, etwa Tannen, Buchen, Ahorn wiederum kleine Fichten und auch Eichen warten schon darauf, in die gleiche prachtvolle Höhe wie ihre jetzigen Fichten-Kolleginnen zu wachsen. Ein in jeder Hinsicht liebevoll gepflegter Wald, mit Totholz für Spechte oder Fledermäuse, ausgezeichnet mit dem PEFC-Siegel für nachhaltige Waldbewirtschaftung und dem Bayerischen Staatspreis für vorbildliche Waldbewirtschaftung. Nichts scheint diese perfekte Allgäuer Waldidylle mit ihrem Blick auf grüne Weiden, die umliegenden Waldhänge und die etwas weiter entfernt liegenden, auch im Juni schneebedeckten Berggipfel, zu stören. Warum sich also Sorgen machen?

„Dieser Wald hier, das ist unser Augapfel.“

Doch das sieht Ulrike Hagenauer, die sich stellvertretend für die Erben Freiherr von Gise GbR um ihren Familienwald kümmert, anders. „Dieser Wald hier, das ist unser Augapfel. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist er in Familienbesitz. Wir alle in der Familie haben ihn vor der Erbteilung bewahrt und extra in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) überführt, so lieb und teuer ist er uns. Wir wollen ihn, komme was wolle, für die nächsten Generationen erhalten.“ Und sie weiß ganz genau, was den Waldbesitz der Familie gefährden kann. Vor allem in den warmen Monaten des Jahres ist sie höchst aufmerksam, sozusagen in ständiger Alarmbereitschaft.

Denn das ist der Zeitpunkt, an dem Ulrike Hagenauers Feind anfangen könnte, im Familienwald zu wüten. Er wirkt mit seinen Maßen von gerade einmal einem halben Zentimeter nicht besonders furchteinflößend. Und doch wissen alle Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer hier im Allgäu, was er anrichten kann. Sie kennen die Waldbilder der vergangenen drei Jahre aus Mitteldeutschland, in denen Trockenheit und Stürme, aber vor allem er, der Borkenkäfer, mit seinem massenhaften Auftreten nur noch Mondlandschaften hinterlassen hat, wo vorher hektarweise Wald stand.

Frühzeitige Hilfe von oben

Und weil seine Zerstörungskraft so gewaltig ist, hofft Ulrike Hagenauer nun auf frühzeitige Hilfe von oben. Denn was sie persönlich nicht leisten kann, auch nicht im Zusammenspiel mit den anderen Mitgliedern der Erben Freiherr von Gise GbR oder mit der tatkräftigen Hilfe durch Georg Riesenegger, der die Familie schon jahrzehntelang bei der Waldbewirtschaftung unterstützt: Im Frühjahr, Sommer und Frühherbst ständig zu kontrollieren, ob der Borkenkäfer schon Bäume in ihrem Waldstück befallen hat. Wenn die Witterung sehr warm und trocken ist, herrschen ideale Brutbedingungen für den Borkenkäfer und er könnte sich so exorbitant vermehren, dass er die stolzen Fichten des Familienwaldes eine nach der anderen kahl frisst.

Die erhoffte Hilfe kommt nun also seit neustem aus dem Weltall: Passenderweise heißt der Hoffnungsträger „WALDSTOLZ“. Das Unternehmen setzt Satellitenbilder ein, um Waldbesitzende zu warnen, wenn sich die Vitalität, also die Gesundheit der Bäume, auf ihrem Waldstück kritisch verändert. Jedoch nicht, weil die Satelliten den Borkenkäfer selbst erkennen. Das beschreibt einer der Gründer von WALDSTOLZ, Fabian Popp, ein wenig schmunzelnd, hat er diese Frage in den vergangenen Wochen doch häufiger beantwortet: „Dafür ist er dann tatsächlich doch zu klein – den Borkenkäfer selbst können wir nicht bei seinem Tun aus dem All beobachten“. Sein Partner Tobias Jäger erläutert, wie die Technik helfen soll: „Ein cleverer Algorithmus findet typische Farbveränderungen der Bäume auf den alle fünf Tage fotografierten Waldparzellen, wenn ihnen die Kraft ausgeht. Die Waldeigentümer oder Forstleute werden dann per E-Mail und SMS positionsgenau gewarnt und aufgefordert, ihren Wald aufzusuchen“. Sie müssen daraufhin genau hinschauen: Gibt es verräterische Spuren am Baum, etwa das Bohrmehl, das der Borkenkäfer hinterlässt? Dann ist schnelles Handeln gefragt, um zu verhindern, dass der Käfer die umliegenden, noch gesunden Bäume befällt.

Bewältigung einer Mammutaufgabe

Doch wer genau soll das dann leisten? Mit dieser so typischen Herausforderung für den Klein- und Kleinstwaldbesitz ist die Familie um Ulrike Hagenauer nicht allein, nicht nur im Allgäu. Die Eigentümer wohnen häufig nicht mehr dort, wo der Wald steht, ihr Lebensmittelpunkt liegt teilweise weit entfernt in den Städten. Viele von ihnen haben sich daher mit ihren Waldflächen zusammengeschlossen und werden in einer sogenannten Forstbetriebsgemeinschaft bei allen anfallenden Arbeiten unterstützt. Waldpflege, Holzernte und vieles mehr übernimmt die Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Oberallgäu für den Wald von Ulrike Hagenauer und ihrer Familie, auch die Umsetzung der PEFC-Standards für nachhaltige Waldbewirtschaftung liegt in ihrer Hand. Wenn die Witterung dem Borkenkäfer ideale Bedingungen bietet, können diese vielen Arbeiten für alle Beteiligten zur Mammutaufgabe werden.

Das Team der FBG ist es dann auch, das in das von WALDSTOLZ überwachte Waldstück vor Ort fährt und sich die auf den Satellitenbildern identifizierten „Problembäume“ anschaut. Fast baumgenau geben Geokoordinaten an, welche Stelle aufgesucht werden soll. „Das kann eine Riesenerleichterung sein, gerade bei unseren steilen und teilweise schwer zugänglichen Waldflächen hier im Allgäu“, zeigt sich FBG-Geschäftsführer Roman Prestele überzeugt vom Pilotprojekt mit WALDSTOLZ, dem sich seine Forstbetriebsgemeinschaft angeschlossen hat. „So können wir unseren Mitgliedern schneller und punktgenauer bei der Überwachung ihrer Flächen helfen – derzeit zumindest denen, die sich für dieses Pilotprojekt interessiert haben“.

Pilotprojekt mit Win-Win-Situation

Scheinbar also eher ein Projekt für „Early Adopters“ oder Technik-Nerds? Wie schwer war es daher, Ulrike Hagenauer und die Beteiligten der GbR zu überzeugen, ihren Wald mit diesen bisher außergewöhnlichen Methoden zu überwachen? Aus dem All zuschauen zu lassen, ob sich sein Gesundheitszustand verändert? „Sowas von gar nicht, wir waren Feuer und Flamme, als wir von diesem neuen Ansatz gehört haben und wollen es unbedingt ausprobieren“, erklärt Ulrike Hagenauer.

Das Pilotprojekt wird damit zur Win-Win-Situation: Die Erben Freiherr von Gise GbR erhält durch die Vorwarnung der Satellitenbilder einen wertvollen Zeitvorsprung und kann frühzeitig Maßnahmen zur Verbesserung der Waldgesundheit einleiten lassen. „Und unsere Arbeit profitiert von denjenigen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern, die von Anfang an dabei sein wollten – wir sind dankbar für diejenigen, die uns als Start-Up bereits in dieser frühen Phase unterstützen“, fasst Tobias Jäger von WALDSTOLZ zusammen. Nun bleibt es abzuwarten, wie sich die Witterung in diesem Sommer weiterentwickelt – wird es wieder heiß und trocken, wartet eine Menge Arbeit auf alle Beteiligten, um schneller als der Käfer zu sein.

Copyright für die Fotos auf dieser Seite: (c) PEFC Deutschland / Dimitri Reimer

Weitere Informationen zu WALDSTOLZ: www.waldstolz.de